Wie brünstig ich dich im Geiste umfange lässt sich mit Worten nicht beschreiben. Es ist ein Aufruhr aller Lebensgeister in mir, der, wenn er sich bisweilen legt, mich in solcher Ermattung an Leib und Seele zurücklässt, dass ich schier den letzten Odem zu ziehen meine. Jede kurze Stille gebiert noch heftigere Stürme. Oft möchte ich in der finsteren, sturm- und regenvollsten Mitternacht aufspringen, dir zueilen, mich in dein Bette, in deine Arme, kurz in das ganze Meer der Wonne stürzen und – sterben. O Liebe, Liebe! Was für ein gewaltiges. Wundersames Wesen bist du, dass du Leib und Seele so gefangen halten kannst! Siehe, du Einzige, sie fesselt mich an dich so fest und innig, dass ich nirgends hinkann, weder zur Rechten noch zur Linken!

Aller andern Neigungen, aller! Wären sie auch noch so sehr mit meinem Charakter und Wesen verwebt, kann ich mich entschlagen, aber unmöglich, unmöglich des Gefühls, welches macht, dass du mir das liebste, süßeste Geschöpf in Gottes unermesslicher Schöpfung bist. Ich lasse meine Phantasie ausfliegen durch alle Welten, ja durch alle Himmel, und aller Himmel Himmel, lass sie betrachten, was nur irgend wünschenswürdig ist, und es neben dir wägen, aber bei dem ewigen Gott! Sie findet nichts, was ich so feurig wünschen könnte, als ich dich, du himmelsüße, in meine Arme wünsche!

Könnte ich dich mir damit erkaufen, dass ich nackend und barfuß durch Dornen und Disteln, über Felsen, Schnee und Eis die Erde umwanderte, oh, so würde ich mich noch heute aufmachen, und dann, wenn ich endlich verblutet, mit dem letzten Fünkchen Lebenskraft in deine Arme sänke und aus deinem liebevollen Busen Wollust und frisches Leben wiedersöge, dennoch glauben, dass ich dich für ein Spottgeld erkauft hätte…

 

Gottfried August Bürger an Auguste Leonhart | 12. November 1779