Ich wollte, Herrin, bevor ich die Dinge, die Euere Herrlichkeit mit mehrere Male (schon) hat geben wollen, annahm, um sie weniger unwürdig als ich vermochte zu empfangen, etwas eigenhändiges für Sie arbeiten. Nun aber habe ich erkannt und gesehen, daß Gottes Gnade nicht käuflich ist, und daß sie verschmähen eine sehr schwere Sünde ist, und daher sage ich: meine Schuld, und nehme gern die erwähnten Dinge an. Und wenn ich sie habe, – nicht um sie in meinem Haus zu besitzen, sondern um meinerseits in ihrem Hause zu sein, (d.h. ihr Gast nicht ihr Besitzer zu sein) – wird es mir vorkommen, als befände ich mich im Paradiese. Und dafür werde ich Euerer Herrlichkeit noch mehr verpflichtet sein, wenn anders ich es noch mehr als ich es schon bin sein kann.
Der Überbringer dieses Schreibens ist mein Diener Urbino, dem Euere Herrlichkeit sagen kann, wann Sie wollen, daß ich kommen soll, um den Kopf zu sehen, den Sie mir zu zeigen versprochen haben; und ich empfehle mich Ihnen

Eurer Herrlichkeit Diener
Michelagniolo Buonarotti

Den Brief begleitete folgendes Sonett Michelangelos:

Um wen’ger unwert, hohe Frau zu sein
Der Gabe eurer unermessenen Güte,
Verlangt’ es mich, aus freudigem Gemüte,
Euch meines schwachen Geistes Dank zu weihn.

Da sah ich, daß aus eigener Kraft allein
Nach jenem Ziel ich mich vergebens mühte,
Verzeihet meiner frevlen Kühnheit, bitte,
Durch Irrtum geh’ ich nun zur Einsicht ein.

Ich sehe wohl, es irrt sich, wer da glaubt,
Daß, Göttergleiche, eurem Gnadenregen
Mein schwach’, gebrechlich’ Werk sich könnt’ vergleichen.
Geist, Kunst, Gedächtnis sind der Kraft beraubt:
Aus Eigenem lohnen einem Himmelssegen
Kann keine Mühe Sterblicher erreichen.

Michelangelo an Vittoria Colonna