Ich war in den letzten Tagen in einem fieberhaften Zustand. Diese gewaltsame Spannung hat nun nachgelassen, und ich fühle mich recht herzlich krank und matt. Ich habe es selbst nicht geglaubt, dass ich so ganz dir angehöre, alle meine Gedanken sind unwillkürlich an dich gerichtet, mich verzehrt die heiße Sehnsucht, dich wiederzusehen…

Verzeih, dass dieser Brief so unglaublich töricht wird, ich weiß dir nichts zu schreiben, als dass du mir über allem Ausdruck teuer bist, alle anderen Gedanken sind mir erloschen. Lieber Wilhelm, teurer Freund, vergiss mich nicht, darum beschwöre ich dich mit heißen Tränen, denke nie mit Kälte daran, wie ich mich dir so ganz ohne Rückhalt hingegeben hab´, wie ich in deinen Armen Schutz suchte, gegen manches Leiden, was ich noch empfinde, wie ich an deiner Brust Trost fand, für so manche bitter verlebte Stunde. Du darfst, du kannst mich nicht vergessen, die Leidenschaft in meinem Herzen muss dich gewaltsam zu mir ziehen. Du bist durch diese Zauberei der Liebe mein Eigen. Lieber, lieber Wilhelm, könntest du jemals vergessen, dass du der erste, der einzige Mann bist, dem sich mein ganzes Herz entgegenneigt, dem ich mich mit ganzer Seele ergebe. Ich bin nicht schön und reizend, dass ich dich könnte alle schöne Frauen vergessen machen, und wäre ich es, so könnte ich dein Vergessen nicht belohnen … Fasst dich wohl einmal so die heftige Sehnsucht wie mich, dass du die Arme nach dem Winde ausstrecken möchtest! Ich kann mich selbst mit meinen Kindern nicht trösten.

Ich beschwöre dich habe mich nicht mit halbem Herzen lieb! O komm, geliebter Freund, dass ich alle meine Schmerzen an deinem Herzen vergesse! Eile in meine Arme, lass mich dich an meine Brust drücken, ach, und könnte ich dann mit dem ersten Kuss mein Leben hinweghauchen. Du Stern, der mein Schicksal und mein Leben beherrscht! Kannst du wohl jemals meinen Namen gleichgültig hören, sollte wohl einmal die Zeit kommen, dass dein Herz nicht von Freude erregt wird, wenn du an meine Liebe denkst, sollte dein Blut aufhören, schneller zu fließen, wenn meine Augen, meine Hände, meine Lippen dich berühren? Oh, könnten dich meine zärtlichsten Wünsche erreichen.
Ewig dein Eigen S.B.

Sophie Bernhardi-Tieck an August Wilhelm Schlegel